In Reaktion auf die wachsende Notwendigkeit für transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) zwei neue Standards entwickelt: den Voluntary Standard for Non-listed SMEs (VSME) und den European Sustainability Reporting Standard for Listed SMEs (LSME). Der Nachhaltigkeitsbericht für KMU (VSME) wird in diesem Artikel näher beschrieben.
Diese beiden Standards sind Teil der Bemühungen, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union umzusetzen, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu verbessern und zu standardisieren.
Der Entwurf der VSME bietet einen freiwilligen Rahmen für nicht börsennotierte KMU, um effizient auf Nachhaltigkeitsanfragen von Geschäftspartnern zu reagieren. Er zielt darauf ab, die Transparenz und Zuverlässigkeit der Nachhaltigkeitsberichte zu erhöhen.
Geltungsbereich und Inhalte von VSME
Der VSME wendet sich an nicht börsennotierte Unternehmen, die gemäß der Richtlinie 2013/34/EU als KMU definiert sind und zwei der folgenden drei Kriterien nicht überschreiten:
- Eine Bilanzsumme von 25 Millionen Euro.
- Einen Nettoumsatz von 50 Millionen Euro.
- Weniger als 250 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt.
Für diese Unternehmensgrößen gelten keine LSME, sodass die freiwilligen Berichterstattungsstandards der VSME angewandt werden können.
Abb. 1: Übersicht über Unternehmensgrößen und die Berichterstattungsstandards, die sie betreffen
*Öffentliche Interessen Entitäten (PIEs): Dazu gehören in der Regel Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, börsennotierte Unternehmen und andere, die von einem Mitgliedstaat aufgrund ihrer Größe, Unternehmensart oder Anzahl an Arbeitnehmern bestimmt sind.
Aufbau des VSME
Der VSME besteht aus drei Modulen: dem Basic Module, dem Narrative Performance, Actions and Target (PAT) Module und dem Business Partners (BP) Module.
Basic Module
Das Basic Module bildet das Grundgerüst des VSME und setzt allgemeine Prinzipien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung fest. Es umfasst grundlegende Anforderungen an die Berichterstattung, wie die Darstellung der Unternehmensführung, wesentlicher Nachhaltigkeitspraktiken und deren Auswirkungen auf die Unternehmensleistung. Das Basis-Modul des VSME-Entwurfs ist speziell für Kleinstunternehmen konzipiert und erfordert keine Wesentlichkeitsanalyse.
Unternehmen müssen das verwendete Modul, die Anwendungsebene und ihre Tochtergesellschaften angeben. Zudem müssen sie kurz spezifische Strategien für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beschreiben, soweit diese vorliegen. Außerdem geben sie ihren Gesamtenergieverbrauch, Brutto-Treibhausgasemissionen, Schadstoffmengen, Wasserverbrauch und -entnahme, Abfall- und Ressourcenmanagement sowie soziale Aspekte an. Sie können zusätzlich qualitative und quantitative Informationen hinzufügen, um die Berichterstattung an ihre spezifischen Bedürfnisse anzupassen.
Narrative Performance and Target (PAT) Module
Das PAT-Modul fordert Unternehmen auf, ihre Nachhaltigkeitsziele, Maßnahmen und Leistungen in einem narrativen Kontext zu präsentieren und klare Ziele festzulegen. Es erweitert das Basismodul und ist für Unternehmen gedacht, die bereits formelle Nachhaltigkeitsrichtlinien haben, jedoch nicht unter die CSRD-Berichtspflicht fallen. Eine Wesentlichkeitsanalyse gemäß VSME-Standardentwurf ist erforderlich, um relevante Nachhaltigkeitsinformationen offenzulegen. Unternehmen müssen erläutern, wie sie mit wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekten umgehen, einschließlich Maßnahmen zur Energieeffizienz und Treibhausgasreduktion sowie sozialen Aspekten, Korruptionsbekämpfung und Governance-Praktiken.
Business Partners Module
Das Business Partners Modul betont die Beziehungen zu Geschäftspartnern und ihre Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens. Es erfordert Offenlegungen zu Lieferketten, der Auswahl und Überwachung von Geschäftspartnern sowie deren Einbindung in Nachhaltigkeitspraktiken. Es erweitert die Offenlegungen des Basic Modules um zusätzliche Daten, die für Kreditgeber, Investoren und Geschäftspartner relevant sind. Unternehmen müssen Angaben zum Übergangsplan zur Minderung des Klimawandels, potenziellen finanziellen Auswirkungen von Klimarisiken, Handhabung gefährlicher Abfälle und Übereinstimmung mit internationalen Standards wie den UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte machen.
Anwendungsmöglichkeiten der 3 Module
Abb. 2: Die vier Kombinationsmöglichkeiten, um im Rahmen der VSME zu berichten
Prinzip der doppelten Wesentlichkeit im VSME
Der VSME-Standard schreibt vor, dass Unternehmen die Schwere der Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Umwelt und Gesellschaft bewerten müssen. Die Schwere wird definiert durch das Ausmaß, die Dauer und die Unabänderlichkeit der Auswirkungen. Unternehmen müssen die potenziellen langfristigen und kurzfristigen Folgen ihrer Geschäftstätigkeiten evaluieren und diese Informationen in ihrem Nachhaltigkeitsbericht offenlegen.
Schritte zur Implementierung
Erstbeurteilung unter Berücksichtigung der doppelten Wesentlichkeit
Das Ziel der Erstbeurteilung ist, den aktuellen Stand der Nachhaltigkeitspraktiken und -berichte des Unternehmens zu erfassen und zu bewerten, wobei ein besonderes Augenmerk auf das Konzept der doppelten Wesentlichkeit gelegt wird. Dieses Konzept fordert, dass Unternehmen sowohl die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Umwelt und Gesellschaft als auch die Auswirkungen von Umwelt- und Sozialthemen auf das Unternehmen selbst berücksichtigen.
Erweiterter Vorgehensplan:
- Sammlung von Analysen und Berichten zu externen und internen Umwelt- und Sozialauswirkungen
- Review bestehender Praktiken und doppelte Wesentlichkeit
- Interviews und Workshops mit Schlüsselmitarbeitern
Der finale Bericht sollte die Bewertung der doppelten Wesentlichkeit darstellen, Lücken identifizieren und Maßnahmen zu deren Schließung vorschlagen. Zudem sollte er einen Implementierungsplan mit Zeitrahmen und Verantwortlichkeiten für die Integration der doppelten Wesentlichkeit in die Unternehmenspraktiken enthalten.
Welche Daten werden beim VSME gefordert?
Allgemeine Unternehmensinformationen:
- Unternehmensprofil, Standorte und wesentliche Geschäftstätigkeiten.
- Informationen über wesentliche Veränderungen im Berichtszeitraum.
Governance-Daten:
- Unternehmensführung und -kontrolle, Zusammensetzung und Rolle von Führungsorganen.
Umweltdaten:
- Energieverbrauch und Energiequellen
- Emissionen von Treibhausgasen, Abfallaufkommen und Wasserverbrauch.
- Erstellung einer Treibhausgasbilanz nach Scope 1, 2 und 3 wird im VSME-Standard empfohlen, ist aber nicht obligatorisch. Unternehmen entscheiden selbst, inwieweit sie diese in ihre Berichterstattung aufnehmen.
Soziale Daten:
- Arbeitspraktiken, Mitarbeitergesundheit und -sicherheit.
- Menschenrechte, Gemeinschaftsengagement und lokale Auswirkungen.
Lieferkettendaten:
- Praktiken und Leistung der Lieferanten in Bezug auf Umwelt- und Sozialstandards.
Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts
Der Nachhaltigkeitsbericht sollte gemäß dem Standard korrekt und vollständig vorbereitet und auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht werden, um Transparenz und eine effektive Bewertung durch Stakeholder zu ermöglichen. Eine externe Prüfung ist für den VSME-Standard nicht obligatorisch, aber empfohlen, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Diese Maßnahmen helfen Unternehmen, regulatorische Sanktionen zu vermeiden und das Vertrauen von Investoren, Kunden und anderen Stakeholdern zu stärken.
Zukünftige Entwicklungen und Trends
Aktuell handelt es sich beim VSME noch um einen Entwurf der EFRAG [Download (efrag.org)]. Ab Juni wird er allerdings überarbeitet, von der Europäischen Kommission, dem Parlament und dem Rat beschlossen und anschließend verbindlich veröffentlicht.
Die Einführung von VSME markiert einen Fortschritt in der Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU, fördert Harmonisierung und effektive Kommunikation von Nachhaltigkeitszielen. Die Berücksichtigung der doppelten Wesentlichkeit ermöglicht eine umfassende Bewertung von Umwelt- und Gesellschaftsauswirkungen. Die Standards bieten strukturierte Rahmen, verbessern das Risikomanagement und stärken Stakeholderbeziehungen durch detaillierte ESG-Berichterstattung. Zukünftige Entwicklungen könnten eine Integration mit internationalen Rahmenwerken, technologische Fortschritte für Datenanalyse sowie einen verstärkten Fokus auf Klimawandel und Biodiversität umfassen. Unternehmen sollten proaktiv bleiben, sich über Änderungen informieren und interne Prozesse anpassen, um langfristig den Unternehmenswert zu steigern und sich als verantwortungsbewusste Akteure zu positionieren.
Margit Holzhammer ist Juristin, langjährige Direktorin eines Krankenhauses, CSR-Dozentin an verschiedenen Hochschulen und CSR- und Nachhaltigkeitsberaterin im Terra Institute. Ihre Fokusbranchen sind Gesundheitsbetriebe, Banken und Tourismus. Margit leitet das Terra Büro in Innsbruck.