Blaetter
Warum die EU-Taxonomie eine Chance für Unternehmen ist

Brixen – In den fünf bis sieben Jahren unmittelbar nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015, in dem sich die internationale Gemeinschaft auf das 1,5-Grad-Ziel geeinigt hat, ist in Europa vieles in puncto Nachhaltigkeit in Bewegung gekommen.

Im EU-Aktionsplan 2018 hat die EU beschlossen, sich in ihrer Wirtschaftspolitik darauf zu konzentrieren, die Wirtschaft in ihrem notwendigen Wandel voll zu unterstützen, indem sie nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten finanziert und sich von nicht nachhaltigen Aktivitäten trennt.

Zu diesem Zweck wurden und werden in der EU-Taxonomie (eine Chance für Unternehmen) strenge Kriterien dafür entwickelt, um zu bestimmen, was „nachhaltig“ bedeutet, sodass niemand dieses Etikett verwenden kann, der nicht gute Gründe dafür hat. Es geht also darum, Greenwashing zu vermeiden!

 

Green Deal: der Wachstumsplan für Europa

Der europäische Green Deal zeichnet den Fahrplan hin zu einer neuen, nachhaltigen EU-Wirtschaft. Er ist 2019 als eines der Ergebnisse des EU-Aktionsplanes 2018 entstanden. Der europäische Green Deal umfasst einen Plan zur Förderung einer effizienteren Ressourcennutzung durch den Übergang hin zu einer hundertprozentig sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft, zur Wiederherstellung der Biodiversität und zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung.

 

Der Plan zeigt auch auf, welche Investitionen erforderlich sind und wie diese finanziert werden sollen. Er erläutert weiters, wie der Übergang möglichst gerecht und inklusiv gelingen kann und wie die EU ihr Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, erreichen wird. Darauf aufbauend wurde ein Europäisches Klimagesetz vorgeschlagen, um diese politische Verpflichtung in rechtliche Verpflichtungen umzuwandeln.

Alle Wirtschaftsbranchen müssen ihren aktiven Beitrag zum Green Deal leisten. Die EU wird jene Sektoren und Regionen, die am stärksten mit dem Übergang zu einer umweltfreundlichen Wirtschaftsweise zu kämpfen haben, finanziell und mit technischer Hilfe unterstützen. Dies erfolgt im Rahmen des Mechanismus für einen gerechten Übergang. Damit sollen im Zeitraum 2021–2027 in den am stärksten betroffenen Regionen mindestens 100 Milliarden Euro mobilisiert werden. Derzeit werden für jedes dieser acht Handlungsfelder (siehe beistehende Grafik) spezifische Ziele und Maßnahmen entwickelt, die als Schlüsselaktivitäten zur Erreichung der EU-Klimaneutralitätsziele gelten. Das bedeutet, dass Wirtschaftsakteure, die in irgendeiner Weise mit diesen Themen in Verbindung stehen, aufmerksam bleiben sollten, da es in naher Zukunft tiefgreifende Veränderungen geben wird.

 

Warum die EU-Taxonomie eine Chance für viele Unternehmen ist

Nun zur EU-Taxonomie: Das Wort Taxonomie stammt aus dem Altgriechischen, wobei táxis für Ordnung und nómos für Gesetz steht, das heißt die Ordnung des Gesetzes. Dieses Konzept hängt mit der Nachhaltigkeit und den EU-Zielen also insofern zusammen, als dass die EU-Taxonomie das neue Klassifizierungssystem für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten ist.

Die EU-Taxonomie-Verordnung ist Bestandteil des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Da sie zunächst eher auf abstrakte Art und Weise Umweltziele und Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten definiert, erfolgt und erfolgte eine Konkretisierung pro Wirtschaftssektor anhand technischer Kriterien. Hierfür hat die EU-Kommission die Technical Expert Group (TEG) betraut, welche im März 2020 einen entsprechenden Bericht vorgestellt hat. Dem Bericht waren umfassende Konsultationen mit über 200 Industrievertretern und Wissenschaftlern vorausgegangen.

Aufgrund der EU-Taxonomie können heute schon  Finanzprodukte nur dann als „ökologisch nachhaltig“ gelten, wenn sie wirtschaftliche Aktivitäten finanzieren, die die Kriterien der Taxonomie erfüllen – und dies ist deshalb für Banken zunehmend wichtig, da sie hinkünftig ihre Green Asset Ratio ausweisen und der Europäischen Zentralbank berichten müssen. Diese Taxonomie-Kriterien sehen eine Verfolgung von sechs Umweltzielen vor:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen
  4. Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung von Verschmutzung
  6. Schutz von Ökosystemen

Um „taxonomiekonform“ zu sein, muss eine wirtschaftliche Aktivität zu mindestens einem dieser Ziele „wesentlich“ beitragen, ohne ein anderes Ziel „erheblich“ zu beeinträchtigen (Do No Significant Harm – DNSH). Zugleich müssen gewisse Mindestanforderungen in Bezug auf Soziales, Menschenrechte und Governance, erfüllt werden.

Welche Branchen sich als erste bewegen müssen

Die Taxonomie wird zukünftig für alle Wirtschaftsaktivitäten entwickelt, so dass es für alle Branchen Kriterien geben wird, um nachhaltige Unternehmen (diejenigen, die die Taxonomie-Kriterien erfüllen) von nicht nachhaltigen Unternehmen (diejenigen, die die Taxonomie-Kriterien nicht erfüllen) zu unterscheiden.

Derzeit konzentriert sich die EU auf erste sechs Branchen, von denen fünf ausgewählt wurden, weil sie zusammen 93,5 Prozent der CO2-Emissionen in der EU verursachen, nämlich: Landwirtschaft, verarbeitendes Gewerbe, Energie- und Wasserversorgung, Transport und Logistik sowie Bauwesen. Die sechste Branche werden die Informations- und Kommunikationstechnologien sein, die ihrerseits direkt zum Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft beitragen sollen.

Genauer gesagt sind derzeit nur einige Aktivitäten in diesen sechs Branchen, die nach ihrem Ateco-Kode klassifiziert sind, angeführt, was bedeutet, dass für diese Screening-Kriterien und Schwellenwerte festgelegt wurden.

Oft können Restriktionen und Vorschriften zu Innovationen in den Prozessen und Produkten führen und ein Unternehmen zukunftsfähiger machen.

Bei diesen Aktivitäten wiederum sind derzeit noch nicht alle Unternehmen verpflichtet, die Ziele der EU-Taxonomie zu erfüllen, da auch die Unternehmensgröße derzeit noch eine Rolle spielt. Die Taxonomie-Verordnung verpflichtet große Unternehmen von öffentlichem Interesse (ab 500 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro bzw. einem Umsatz
von über 40 Millionen Euro) offenzulegen, zu welchem Anteil ihre Umsätze, Gesamtinvestitionen und Ausgaben mit Aktivitäten in Verbindung stehen, die laut Taxonomie „nachhaltig“ sind. In den nächsten vier Jahren soll der Kreis der Unternehmen erweitert werden und die Schwelle auf 250 Mitarbeiter gesenkt werden. Warum die EU-Taxonomie eine Chance für Unternehmen ist? 

 

Die Chance hinter den neuen Verpflichtungen

Man könnte meinen, dass die EU-Taxonomie nun noch mehr Bürokratie und Pflichten für Unternehmen mit sich bringen wird, die ohnehin schon schwierige Zeiten durchleben. Wir sind jedoch überzeugt, dass die EU-Taxonomie eine Chance für Unternehmen bietet und den Grundstein für eine neue, gesunde Wirtschaft legt. Standarddefinitionen für den Begriff der Nachhaltigkeit heben einerseits die Bemühungen und Leistungen wirklich tugendhafter Unternehmen hervor und unterscheiden sie von denen, die nur so tun, als ob sie nachhaltig wären. Infolgedessen haben nachhaltige Unternehmen einen leichteren Zugang zu Krediten und erhalten bessere Konditionen, da sie als weniger riskant eingestuft werden als nicht nachhaltige Unternehmen.

Allen Unternehmen, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu den Branchen der Taxonomie und unabhängig von ihrer Größe, ist zu empfehlen, sich damit zu befassen. Verpflichtete Unternehmen müssen sich dieser Bewertung ohnehin unterziehen. Nicht-verpflichtete Unternehmen haben jedoch den Zeitfaktor auf ihrer Seite, und zwar aus vielen Gründen:

  • Falls ihre Aktivität erfasst ist, sie aber zu klein sind: Sie können vorzeitig damit beginnen, Ziele zu verfolgen, die für ihre größeren Konkurrenten bereits Verpflichtungen darstellen, und so ihr Unternehmensimage verbessern, während sie gleichzeitig auf das vorbereitet sind, was höchstwahrscheinlich kommen wird.
  • Falls ihre Aktivität noch nicht abgedeckt ist, andere in ihrer Lieferkette aber schon: Es ist wahrscheinlich, dass auch sie bald von der Taxonomie erfasst werden, so dass der Beginn der Arbeit an ihrer Nachhaltigkeitsleistung nur von Vorteil sein kann, wenn es auch für sie Verpflichtungen und spezifische Prüfkriterien geben wird.
  • In allen anderen Fällen ist empfehlenswert, sich mit den neuen Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu befassen und zu überlegen, welche neuen Möglichkeiten sich daraus ergeben könnten. Oft können Restriktionen und Vorschriften zu Innovationen in den Prozessen und Produkten führen und ein Unternehmen zukunftsfähiger machen.

 

Nachhaltigkeit wird mehr und mehr zum täglichen Brot für alle wirtschaftlichen Aktivitäten in verschiedenen Bereichen: von der Bewerbung bei öffentlichen Ausschreibungen bis zur Kreditanfrage bei der Bank, von der Suche nach neuen jungen Mitarbeiter:innen – das Umweltbewusstsein spielt für junge Generationen eine wichtige Rolle – bis hin zu den sehr hohen Energiekosten und den Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Rohstoffen bei Lieferanten. Es ist besser, heute zu handeln, als morgen hinterherzuhinken!

Günther Reifer ist Co-Gründer und CEO Terra Institute. Der Fokus seiner Beratung liegt im Bereich Purpose und Strategie, CircularEconomy und SustainableFinance. Er ist Impulsgeber, Inspirator und Key Note Speaker, Mitglied von diversen Aufsichts- und Verwaltungsräten und Dozent an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland. Er ist leidenschaftlicher Nachhaltigkeitsberater und verbindet Innovation und SustainabilityInnovability

Gruene Pflanzen von edgar castrejon

ESG & Sustainable Finance – ist Ihr Unternehmen vorbereitet?


Von Heidrun Kopp

Was ist zu tun, um Ihr Unternehmen ESG-fit zu machen? Neue regulatorische Rahmenbedingungen und Anforderungen von Banken und anderen Stakeholdern machen Klima- und Umweltschutz zum Managementthema.

SMART-Ziele in Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie setzen


Von Alice Amico und Sarah Kurze

Wenn Sie Ihr Unternehmen umgestalten wollen, brauchen Sie einen konkreten und präzisen Aktionsplan, um die Dinge ins Rollen zu bringen. Um Ihre Ziele zu erreichen, sollten Sie SMART denken.

Klimaneutralität verstehen: Green Claims und Vorschriften


Von Matthias Zaussinger

Wollen wir Klimaneutralität? Neue Regelungen laut den Green Claims zeigen einen Weg die Auswirkungen der EU weiten Vorgaben. Echte Maßnahmen für eine nachhaltige Zukunft.

Kreislaufwirtschaft – DAS Erfolgsmodell der Zukunft


Von Werner Kössler

Kreislaufwirtschaft maximiert Ressourcennutzung, minimiert Abfall. Materialien und Produkte werden wieder verwendet, repariert, recycelt. Ziel: Produktlebenszyklen verlängern, Abfall minimieren. Klingt logisch? Ist es auch!

Produkt und Verpackung erzählen etwas über die Nachhaltigkeit des Unternehmens.

Das Produkt spiegelt die nachhaltige Unternehmensstrategie wider


Von Ivo Mersiowsky

Um eine nachhaltige Unternehmensstrategie zu entwickeln, beziehen Sie Produktnutzen und Ressourcenaufwand gleichermaßen in Ihr Innovationsmanagement mit ein.

Die CSRD: Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU


Von André Meinhard

Was regelt die CSRD und wer ist von der CSRD ab wann betroffen und berichtspflichtig? Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine EU-Richtlinie zur Standardisierung und Verbesserung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, um Nachhaltigkeit in den Fokus der Wirtschaft zu rücken und die Finanzmärkte auf eine nachhaltigere Zukunft auszurichten.

Zehn strategische Ansätze für mehr Kreislauffähigkeit


Von Felix Pliester

Die Kreislaufwirtschaft bietet Unternehmen Innovationschancen für Resilienz, neue Geschäftsmodelle, Differenzierung und verbesserte Umweltbilanz. Trotz ihrer Tradition betrachten wir zehn Strategien für mehr Zirkularität.

Konzepte zur Identifikation von Stakeholdern


Von André Meinhard

Aktuelle gesetzliche Rahmenwerke, wie zum Beispiel der European Sustainability Reporting Standard (ESRS) im Zuge der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU, betonen die Bedeutung von Stakeholdern in Nachhaltigkeitsstrategien. Unternehmen müssen sie einbeziehen, um Nachhaltigkeit zu fördern.

Warum sich Unternehmen für die Biodiversität interessieren sollten

Was hat Biodiversität mit Unternehmen zu tun? Auf den ersten Blick herzlich wenig, auf den zweiten Blick überraschend viel. Biodiversität ist ein entscheidender Resilienzfaktor für Unternehmen – aus mehreren Gründen.

Mit Science-Based Targets Klimaschutz voranbringen 


Von Paul Lardon

Die Klimakrise schreitet voran, und zunehmend wird die bisherige Herangehensweise an unternehmerischen Klimaschutz, mit einem Fokus auf CO2-Kompensation und Klimaneutralität, in Frage gestellt. Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie mit den veränderten Bedingungen umgehen sollen und ob CO2-Kompensation einen sinnvollen Beitrag leistet.

Auf dem Weg zum Energiesystem der Zukunft

Die globale Energieversorgung muss nachhaltiger werden, um Mensch und Umwelt in Einklang zu bringen. Ein Wandel zu erneuerbaren Energien und effizienten Technologien ist unerlässlich. Unternehmen können durch Energieanalyse und technische Maßnahmen einen Beitrag leisten.

Blaetter

Der Stakeholderdialog als wesentliches Werkzeug 



Von André Meinhard

Ein wesentliches Werkzeug, um als Unternehmen zu verstehen, welche Themen für die eigene Nachhaltigkeit relevant sind, ist die Vorbereitung, die Auseinandersetzung und der Dialog mit den eigenen Stakeholdern. Der Stakeholderdialog (oder auch stakeholder engagement) wird nicht nur in dem neusten Standard der Global Reporting Initiative (GRI 2021), sondern auch in den am 15.11. veröffentlichten Entwürfen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) als grundlegender Schritt zur Findung der wesentliche Nachhaltigkeitsthemen beschrieben.

BRIXEN HEADQUARTERS

Terra Institute GmbH
Albuingasse 2
39042 Brixen (BZ)
Italien

INNSBRUCK OFFICE AUSTRIA WEST

Maria Theresienstr. 34
6020 Innsbruck Österreich

KONTAKTE

office@terra-institute.eu
Tel. +39 0472 970 484

FOLLOW US

NEWSLETTER

© TERRA Institute

MwSt. IT02688830211

Empfängercodex: SUBM70N