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Der Stakeholderdialog als wesentliches Werkzeug 

Ein Unternehmen und seine Aktivitäten haben Auswirkungen, nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf andere Menschen und andere Institutionen. Diese Einzelpersonen oder Personengruppen, die potenziell und tatsächlich von diesen Aktivitäten betroffen sind oder sie auch beeinflussen können, werden als Stakeholder bezeichnet. Der Dialog mit den verschiedenen Stakeholder-Gruppen wird für Unternehmen immer wichtiger und in wenigen Jahren schon Standard für jedes moderne Unternehmens sein. Das Unternehmen definiert damit sein Ökosystem neu. Warum ist also der Stakeholderdialog ein wesentliches Werkzeug?

Was sind „Stakeholder“ und was bedeutet „Stakeholderdialog“?

Zur Definition des Begriffs Stakeholder bezieht sich der weltweit etablierteste Nachhaltigkeitsberichtsstandard GRI (Global Reporting Initiative) auf eine Definition der OECD. Stakeholder sind demnach „(…) Einzelpersonen oder Gruppen, die ein Interesse haben, das durch die Aktivitäten Produkte oder Dienstleistungen der berichtenden Organisation beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden könnte (…)“.

Der „Stakeholderdialog“ ist ein manchmal einmaliger, oftmals laufender, dokumentierter und institutionalisierter Interaktionsprozess zwischen einer Organisation und deren Stakeholdern. Im Allgemeinen gibt es verschiedene Ebenen, auf denen dieser Dialog mit unterschiedlicher Zielsetzung stattfinden kann:

  1. Informieren.
    Ziel ist die Legitimation und der Konsens mit einer oder mehreren, teils komplexen oder strittigen Stakeholdergruppen. Dies wird zumeist innerhalb der Nachhaltigkeitsberichtserstattung als Ziel verfolgt.
  1. Miteinander sprechen bzw. einen Dialogkanal eröffnen.
    Das darüber verfolgte Ziel ist die gegenseitige Bereicherung, das gemeinsame Lernen und Inspirieren. Hierzu werden häufig Instrumente wie Panels und Fokusgruppen angewandt.
  1. Zusammenarbeit.
    Im Fokus der Nachhaltigkeit geht es hierbei in institutionalisierten Arbeitsgruppen oftmals darum, nicht nur gemeinsam zu lernen, sondern einander zu korrigieren und systemrelevante oder -verändernde Problemlösungen zu entwickeln.
  1. Mitgestalten und gemeinsames Engagement.
    Wenn in Governance-Verfahren laufend wichtige Akteure mit einbezogen werden, um das Gesamtsystem, die Mechanismen, die Spielregeln oder das Business-Modell des Unternehmens systemisch zu controllen, weiterzuentwickeln und Einfluss auf die Branchenstandards zu nehmen, dann findet an dieser Stelle ein umfassender Lern- und Changeprozess statt.

Es kann natürlich gut vorkommen, dass ein Unternehmen mit verschiedenen Stakeholdern auf unterschiedlichen Ebenen arbeitet, so zum Beispiel die Wettbewerber informiert und mit anderen Partnern ein Co-Design-Konzept initiiert.

Ein Stakeholderdialog kann auch für Transparenz und Verständnis von verschiedenen oder auch konträren Bedürfnissen innerhalb der Stakeholdergruppen sorgen, also z.B. zwischen Verbraucher:innen, Zulieferbetrieben, NGOs und Verbänden.

Der Stakeholderdialog im Nachhaltigkeitsreporting startet mit der Systemanalyse

Warum ist es wichtig, einen Stakeholderdialog als wesentliches Werkzeug zu definieren? Die Einbeziehung von Stakeholdern ist einer der wichtigsten Grundsätze der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dies ist nicht zuletzt so, weil der Stakeholderdialog fester Bestandteil des GRI Reporting ist und der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit von Beginn an eine Struktur gibt. Für den Stakeholderdialog muss bekannt sein, welche Stakeholder das Unternehmen hat und so wird das Ökosystem unter Miteinbezug all jener verstanden und definiert, die Einfluss auf die Zukunft des Unternehmens haben. Deshalb ist der erste Schritt zu einem erfolgreichen Stakeholderdialog eines Unternehmens die sogenannte Systemanalyse. Diese dient dazu, alle Aspekte, alle Parteien und alle Mechanismen eines Unternehmens zu finden und diesen in einen Kontext zu setzten. Basierend auf einer solchen Systemanalyse zeichnen sich zumeist sehr schnell die relevanten Stakeholdergruppen ab.

Ein Stakeholderdialog über die Auswirkungen eines Unternehmens auf Umwelt, soziale und wirtschaftliche Themen kann gleichzeitig auch Teil einer Impactanalyse sein. Bei letzterer geht es darum, diese Auswirkungen zu sammeln und zu bewerten. Dadurch erhält man eine klare und umfassende Vorstellung von den tatsächlichen Auswirkungen, die ein Unternehmen auf die Umwelt, die Gesellschaft und das wirtschaftliche Umfeld, in dem es tätig ist, hat. Diese Auswirkungen werden in der Impactanalyse ergänzt durch die Erforschung, wie der externe Kontext das Unternehmen beeinflusst, d.h. welchen Risiken und Chancen es im Bereich der Nachhaltigkeit ausgesetzt ist. System- und Impactanalyse ergeben damit zusammen ein umfassendes Bild von den Themen, die das Unternehmen bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie und damit der Gestaltung einer erfolgsversprechenden Zukunft zu beachten hat.

Trends erkennen, Positionen reflektieren, Themen priorisieren – vieles ist möglich

Einblicke in Trends zu gewinnen ist aus strategischer Sicht auch ein guter Grund für einen Stakeholderdialog. Angenommen ein produzierendes Unternehmen verkauft Waren ins Ausland in verschiedene Zielmärkte. So gibt es gegebenenfalls lokale Zwischenhändler vor Ort, mit denen sinnvollerweise ein Dialog aufgebaut wird und gefragt werden kann, wie die Marktbedingungen sind, wie es mit der kulturellen oder politischen Entwicklung aussieht. Dies hilft, um auch in „fremden“ Märkten unter Berücksichtigung zukünftiger Trends, Dienstleistungen oder Produkte zu schaffen, die den Kunden helfen, ihre Umweltauswirkungen zu verringern.

Auch können Meinungen und Erkenntnisse über zentrale strategische Nachhaltigkeitsthemen eingefangen und priorisiert werden, wie z.B.: Wie sollen wir uns zum Thema Nachhaltigkeit, ganz allgemein oder im Vergleich zur Konkurrenz, positionieren? Wie wird das Unternehmen wahrgenommen als Geschäftspartner in der Branche?

Welches Thema ist aus Sicht der Stakeholder relevant? 

Zwischen internen und externen Stakeholder wird unterschieden

Warum ist eine Unterscheidung zwischen internen und externen Stakeholdern sinnvoll? Bei internen Stakeholdern – Unternehmen, Aufsichtsrat, Gesellschafter:innen, Tochterfirmen, Mitarbeiter:innen – können andere Themen abgefragt werden, wie z.B. die Erwartungshaltungen an das Unternehmen oder an die kommende Nachhaltigkeitsstrategie oder auch wie sehr die Nachhaltigkeitsstrategie intern bereits Rückhalt genießt und damit authentisch und glaubwürdig gelebt wird.

Bei externen Stakeholdern wie Geschäftspartner:innen, Lieferant:innen, Spediteur:innen, NGOs, Banken, Versicherungen, Einzelhandel, Verbraucher:innen und Kommunen kann die Außensicht abgefragt und gleichzeitig ein Zeichen gesetzt werden. Denn allein die Durchführung eines Stakeholderdialogs zeigt eine große Ernsthaftigkeit im Thema.

Relevante Aspekte und Herausforderungen bei der Umsetzung

Zum Start eines Stakeholderdialoges muss der Zweck klar sein, dann können Stakeholder identifiziert und „gemappt“, das heißt Gruppen zugeordnet werden. Dauer, Häufigkeit, Zeitrahmen, Kommunikationskanal und -format sind festzulegen Die Spanne ist groß: In Abhängig von der Art und der Einbindung der Stakeholder sind kürzere oder längere Intervalle sinnvoll. Ob eine Onlineumfrage zum Durchklicken reicht, es persönliche Interviews sein sollen oder sogar ein Workshop – hier ist das Maß der Einbindung relevant: Wie weit möchte das Unternehmen die Stakeholder einbinden?

Bereits in der leichtesten Intensitätsstufe zeigt die Erfahrung, dass Formate mit Möglichkeit zum persönlichen Austausch eine viel höhere Informationsdichte liefern als eine schriftliche Umfrage. Der Aufwand im Vergleich zu automatisierten Onlineabfragen ist ungleich höher – da es ein hohes Maß an individueller Information ist, das verarbeitet werden muss, es lohnt sich jedoch: Online fehlen oftmals relevante Nuancen oder das Verständnis, hinter welchen Punkten wirklich ein Interesse oder Bedürfnis steckt.

Herausforderungen im Stakeholderdialog

Gefragt nach den größten Herausforderungen im Stakeholderdialog würden Nachhaltigkeitsberater sicher diesen einen Punkt ganz am Anfang benennen: Die richtige Auswahl der Stakeholder ist das Wichtigste. Es geht darum wirklich zu verstehen, welche Relevanz welche Stakeholder haben und welche konkrete Aussagekraft diese haben. Diese Zuordnung wird voraussichtlich im ersten Jahr der Dialoge noch nicht perfekt sein und wird sich deshalb über die Jahre verändern. Wichtig ist, wie bei allen Nachhaltigkeitsthemen, dass wir den Dialog beginnen und ins Handeln kommen.

Hilfreich sind zu einem langfristigen Erfolg eines Stakeholderdialogs die altbekannten „Quick Wins“, kleinere, leicht umsetzbare Projekte, die schnell signalisieren, dass etwas passiert und damit die Motivation in der Stakeholderbeteiligung aufrechterhalten.

Ein weiterer Artikel zum Thema Stakeholder-Dialog: Konzepte zur Identifikation von Stakeholdern

 

André Meinhard studierte Sustainability Economics and Management an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und konnte dadurch ein transdisziplinäres Fachwissen zu Nachhaltigkeit aufbauen.

Derzeitige Schwerpunkte hat André in den Themen Berichterstattung, Wesentlichkeits- und Impactanalysen, Stakeholderdialogen sowie Sustainable Packaging

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