Die Gesundheit unseres Planeten und die unserer Gesellschaft sind untrennbar miteinander verbunden, eine Tatsache, die durch die Idee der „nachhaltigen Entwicklung“ verstärkt wird. Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen: Unter dem Leitgedanken „Planetary Health“ erkennen wir, wie essenziell ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem ist, das nicht nur heilt, sondern präventiv agiert, um Gesundheit zu bewahren – ein entscheidender Baustein für eine nachhaltige Gesellschaft. Dafür benötigen wir Gesundheitseinrichtungen, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Die Wirksamkeit von Maßnahmen in dieser Branche ist hoch und je mehr wir uns dessen bewusstwerden, desto weniger können wir untätig bleiben.
Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen
Key Takeaways
- Gesundheit und Klimawandel: Der Klimawandel wirkt sich direkt auf die Gesundheit der Menschen aus, z.B. durch hitzebedingte Krankheiten und Atemwegserkrankungen. Gesundheitseinrichtungen müssen sich auf diese Herausforderungen einstellen und gleichzeitig aktiv zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen.
- Nachhaltigkeit als Teil der Gesundheitsversorgung: Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen spielen eine zentrale Rolle im ökologischen Wandel, z.B. durch energieeffiziente Infrastruktur, nachhaltigen Einkauf und die Reduktion von CO2-Emissionen. Nachhaltigkeitsmanagement wird dabei zunehmend in die Unternehmenskultur integriert.
- Regulatorische Anpassung und Transparenz: Gesundheitseinrichtungen müssen sich an neue gesetzliche Anforderungen wie die EU-Taxonomie und die CSRD anpassen. Nachhaltigkeitsberichte sind wichtige Werkzeuge, um Fortschritte und Bemühungen in der ökologischen und sozialen Verantwortung transparent darzustellen und als Grundlage für kontinuierliche Verbesserungen zu nutzen.
Gesundheitsversorgung im Angesicht des Klimawandels – „PLANETARY HEALTH“
Globale Erwärmung und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit
Mit jedem Bericht der WHO zur „größten Bedrohung der Menschheit“ – dem Klimawandel – wächst die Dringlichkeit für das Gesundheitswesen, sich den Herausforderungen von klimabedingten Gesundheitsproblemen zu stellen. Diese reichen von hitzebedingten Erkrankungen bis hin zur psychischen Belastung durch „Climate Anxiety“. Der medizinische Sektor muss darauf vorbereitet sein, auf diese zunehmende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen zu reagieren.
Die WHO nennt folgende relevante Punkte in der Entwicklung klimabedingter Krankheitsbilder:
- Verletzung und Todesfälle aufgrund extremer Wetterereignisse
- Durch Hitze ausgelöste Erkrankungen – gerade bei vulnerablen Gruppen
- Erkrankungen der Atemwege durch Luftverschmutzung
- Durch Wasser, Lebensmittel und Vektoren übertragbare Krankheiten – allein die Ausbreitung von Dengue von vormals nur wenigen geographischen Regionen in ein Auftreten in mehr als 100 Ländern ist bezeichnend
- Veränderungen in der Qualität und Quantität von Nahrungsmitteln und Mangelernährung – Verstärkte Wettervariabilität und Trockenheit führen gerade in den Ländern mit bereits jetzt schwierigen Klimabedingungen zu weiteren Ernte-, Nahrungsmittel- und Futterausfällen.
Auch wenn es der Weltengemeinschaft gelingt, das 1,5 Grade Ziel zu erreichen, werden vielerlei gesundheitliche Auswirkungen bleiben, auf die sich eine Gesundheitsversorgung der Zukunft einstellen muss.
Gleichzeitig gehen viele Klimaschutzmaßnahmen mit einem gesundheitlichen Vorteil einher – wie die Reduktion der Luftschadstoffe, die Änderung des Essverhaltens und der Ernährung, sowie die Erhöhung der körperlichen Aktivität.
Abb.1: Der komplexe Zusammenhang von „planetary health“
Resilienz in der Gesundheitsversorgung
Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen bedeutet aber auch die Förderung der Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel ist für den langfristigen Erfolg von Gesundheitseinrichtungen unerlässlich. Das Gesundheitswesen ist prädestiniert, in dieser Hinsicht eine führende Rolle einzunehmen und den gesellschaftlichen Wandel aktiv mitzugestalten. Aufgrund des hohen Ansehens, das Gesundheitsberufe genießen, sind diese Institutionen in einer einzigartigen Position, um aufzuklären und Wissen zu vermitteln. Sie können als Motivatoren dienen, die Menschen dabei unterstützen, nicht nur ihre persönliche Gesundheit, sondern auch die Gesundheit unserer Gesellschaft und Umwelt zu fördern und zu schützen.
Die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, sind vielfältig und erfordern eine umfassende Reaktion des Gesundheitssektors. Es geht nicht nur darum, die Versorgungsstrukturen an die neuen klimatischen Bedingungen anzupassen, sondern auch aktiv an der Verringerung der Klimaauswirkungen und an der Bewältigung der sozialen Veränderungen, die sich zwangsläufig ergeben werden, mitzuwirken.
Indem das Krankenhausmanagement seine Strategie auf die Dimensionen ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit ausrichtet, positioniert es sich stark für zukünftige Herausforderungen der Branche. Dies umfasst den Umgang mit steigenden Energiekosten, die zu finanziellen Engpässen führen können, sowie den Umgang mit dem zunehmenden Pflegekräftemangel, der durch demografische Veränderungen verstärkt wird. Zudem werden Investitionen in die Infrastrukturerneuerung zur Behebung von Sanierungsrückständen, die Bewältigung der anhaltenden Covid-19-Folgen sowie die Anpassung an das rasche Voranschreiten der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz adressiert.
Auch die Transformation hin zu flexibleren, diversifizierteren Führungsstrukturen und die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in ländlichen Gebieten stehen auf der Agenda. Zudem ist die Anpassung an die regulatorischen Anforderungen der EU in Bezug auf Nachhaltigkeit, wie die Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), von Bedeutung. All diese Elemente sind Teil eines dynamischen Managements, das sich rasch verändernden Zielen anpasst und somit eine zukunftssichere Ausrichtung gewährleistet.
Abb. 2: 3 Ansatzpunkte für Gesundheitseinrichtungen
Nachhaltige Betriebsführung als Reaktion auf den Klimawandel
Die Rolle der Krankenhäuser im ökologischen Wandel
Krankenhäuser tragen mit 5-7% zum nationalen CO2-Fußabdruck bei. Sie sind aufgerufen, ihre Nachhaltigkeitsstrategien zu stärken, nicht nur durch energieeffiziente Infrastruktur und die Reduktion von Anästhesie-Gasen, sondern auch durch den Einsatz von Telemedizin und die Implementierung nachhaltiger Ernährungskonzepte.
Ein „nachhaltiger Einkauf“ spielt eine zentrale Rolle in der umweltbewussten Betriebsführung von Gesundheitseinrichtungen. Durch den bewussten Bezug von Produkten, die ökologischen und sozialen Kriterien genügen, wird der ökologische Fußabdruck minimiert. Diese Maßnahmen werden durch eine Nachhaltigkeitsbewertung und –beratung unterstützt, die sicherstellen, dass Umweltaspekte in allen Entscheidungen berücksichtigt werden.
Abb. 3: Relevante Handlungsfelder im Gesundheitswesen
Folgende Teilbereiche und entsprechende Maßnahmen können ein erster Ansatzpunkt in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung sein:
- energieintensive Infrastruktur – Reduktion durch energieeffiziente Maßnahmen (Wärme-Kälteverbrauch, Warmwasser – und Dampfaufbereitung, Sanierung der Gebäudehülle, LED Einsatz) und Nutzwertanalysen
- Erzeugung der Energie durch nicht fossile Energieträger (Wärmepumpen, PV- Anlagen usw.)
- Förderung der Biodiversität durch Entsiegelung von Flächen und Erweiterung der Gartenanlagen, Dach – und Fassadenbegrünung
- Einkauf – Klimafreundliche Beschaffungskriterien, Einmalprodukte reduzieren, Reinigung (Intervall, Reinigungsmittel), Wäsche (Reduzierung, Mehrfachwäsche), Life-Cycle-Berechnung großer Produktgruppen vor Kaufentscheidung, Lieferkettenmanagement
- Medizinische Behandlung selbst – Reduktion der Anästhesiegase durch Regionalanästhesie, low-flow Anästhesien und Anästhesiegas – Rückgewinnung, Einsatz von Telemedizin, Vermeidung von „Fehlbelegungen“, tagesklinische Versorgung, Verhinderung von Fehlverschreibungen von Medikamenten …
- Mobilitätskonzepte: induzierten Verkehr der Mitarbeiter:innen, Patient:innen und Besucher:innen reduzieren (bessere Einbeziehung des Öffentlichen Verkehrs, Mitfahrbörsen, Attraktivierung des Radverkehrs und Umstellung auf E-Mobilität)
- Nachhaltige Ernährungskonzepte
- Vermeidung von Abfällen
Integration von Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeitsgesetzen
Das Konzept der „Kreislaufwirtschaft“ wird immer mehr zu einem integralen Bestandteil der Gesundheitsdienstleister, ebenso wie die Anpassung an neue gesetzliche Anforderungen wie das „Lieferketten Gesetz“. Diese Initiativen fördern nicht nur den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen, sondern stellen auch sicher, dass das Gesundheitswesen seinen Teil zum globalen Nachhaltigkeitsziel beiträgt.
Nachhaltigkeitsmanagement als Teil der Unternehmenskultur
Das moderne Nachhaltigkeitsmanagement im Gesundheitswesen verschränkt ökologische, soziale und ökonomische Themen und führt zu einer Professionalisierung, die in allen Unternehmensprozessen verankert ist – getreu dem Motto „Health in all Policies“.
Integration von Nachhaltigkeit in das Kerngeschäft der Gesundheitseinrichtungen
Anpassung an rechtliche Rahmenbedingungen: Die zunehmende Regulierung, wie die EU-Taxonomie und die CSRD, treibt Gesundheitseinrichtungen dazu, ihre Strategien anzupassen. Die Bilanzsumme, die Nettoumsatzerlöse und die Mitarbeiterzahl werden zu Schlüsselindikatoren für die Berichterstattung über die Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeitsberichte als Transparenz- und Entwicklungsgrundlage: „Nachhaltigkeitsberichte“ dienen als wesentliches Werkzeug, um die Fortschritte und Bestrebungen im Bereich der Nachhaltigkeit darzustellen. Sie bieten einen transparenten Einblick in die ökologische Bilanz und die sozialen Leistungen von Gesundheitsorganisationen und sind ein entscheidender Schritt in Richtung eines verantwortungsbewussten Gesundheitsmanagements.
Professionalisierung durch Nachhaltigkeitsberatung: Nachhaltigkeitsberatung unterstützt Gesundheitseinrichtungen dabei, effektive Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Ein gut durchdachter Nachhaltigkeitsbericht kann nicht nur das Engagement einer Einrichtung aufzeigen, sondern auch als Benchmark für kontinuierliche Verbesserungen dienen.
Fazit: Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen
Die Zeit zu handeln ist jetzt. Aufgrund dieser hohen möglichen Wirksamkeit ist kein Handeln keine Option mehr – starten wir mit unseren Nachhaltigkeitsstrategien – gerade im Gesundheitssektor – um „von der größten Bedrohung zur größten Chance (Lancet)“ zu kommen. Nachhaltigkeit wird integraler Bestandteil der Strategie von Unternehmen.
Zum einen müssen maximale Anstrengungen zur Eindämmung des globalen Temperaturanstieges unternommen werden, zum anderen ist die Stärkung der Klima-Resilienz und die Transformation der Gesellschaft ein zentraler Punkt, in dem der Gesundheitssektor wirken kann.
Nur durch das Zusammenwirkung aller Akteure (Industrie und Gesundheitssektor) kann ein nachhaltiger Veränderungsprozess gestartet werden.
Autorin
Margit Holzhammer, eine engagierte Verfechterin und Expertin für nachhaltiges Gesundheitsmanagement, bringt eine Fülle von Erfahrungen in ihre Arbeit ein. Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften widmete sie sich dem Gesundheitswesen und trug als Geschäftsführerin eines Krankenhauses in Tirol maßgeblich zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsprojekten bei. Heute teilt sie als Beraterin beim Terra Institute und als Lektorin ihr umfangreiches Wissen und ihre Leidenschaft, um Gesundheitseinrichtungen auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit zu unterstützen und zu inspirieren. Mit ihrem klaren Verständnis für die dringliche Verbindung zwischen Gesundheitsfürsorge und Umweltschutz hat sie sich einen Namen als Vordenkerin in der Branche gemacht und wirkt weiterhin als starke Stimme für den Wandel hin zu „Planetary Health“.