Gruene Pflanzen von edgar castrejon
ESG & Sustainable Finance – ist Ihr Unternehmen vorbereitet?

Neue regulatorische Rahmenbedingungen und Anforderungen von Banken und anderen Stakeholdern machen Klima- und Umweltschutz zum Managementthema. Was ist zu tun, um Ihr Unternehmen ESG-fit zu machen? ESG & Sustainable Finance: Ist Ihr Unternehmen schon darauf vorbereitet?

Seit einigen Jahren diskutieren wir über neue regulatorische Rahmenbedingungen für Unternehmen, um dadurch die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft bis 2050 zu erreichen.

Im heurigen Jahr 2024 tritt mit der Nicht-finanziellen Berichterstattung für große Unternehmen ein nächster wichtiger Meilenstein in Kraft. Die schrittweise Umsetzung des EU Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums, führt dazu, dass Klima- und Umweltziele, nachhaltige Finanzierungen und Nachhaltigkeitsrisiken Teil der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit werden: größere Unternehmen sind unmittelbar von den neuen Vorgaben erfasst, de facto sind jedoch alle Unternehmen – eher früher als später – davon betroffen. Was bedeutet das konkret? Und wie gut ist Ihr Unternehmen bereits darauf vorbereitet?

EU Aktionsplan oder wie finanziert man Nachhaltigkeit

Mit der Veröffentlichung des EU Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (2018) – EU Action Plan: Financing Sustainable Growth – gewinnt der Begriff Sustainable Finance erstmals auch bei den Finanzakteuren an Bedeutung, die sich bis zu diesem Zeitpunkt noch kaum mit Nachhaltigkeit beschäftigt haben. Ausgangspunkt der Maßnahmen ist das Pariser Klimaabkommen, bei dem sich 2016 die Staatengemeinschaft zu einem 1,5 Grad bzw. 2 Grad Klimaziel im Vergleich zum vorindustriellen Niveau verständigt hat. Wie man dies u.a. schaffen möchte und welche Rolle dem Finanzbereich hier zukommen, ist in  Artikel 2/Abs 1c nachzulesen, der dezidiert festhält, dass „internationale Finanzströme mit den Klimazielen in Einklang zu bringen sind“.

 Im Folgenden beschäftigen wir uns mit den Zusammenhängen zwischen (1) regulatorischen Vorgaben und dem Informationsbedarf von Geschäftspartnern insbesondere Banken. Daraus leiten sich (2) erforderliche Maßnahmen für Unternehmen ab, um das eigene Geschäftsmodell langfristig erfolgreich zu betreiben.

Zusammenhänge zwischen regulatorischen Vorgaben und dem Informationsbedarf von Geschäftspartnern

Der EU Aktionsplan konkretisiert in 10 Punkten drei wesentliche Zielsetzungen, nämlich

  • Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umzulenken
  • Nachhaltigkeitsrisiken in die wirtschaftliche Betrachtung zu integrieren
  • Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit zu fördern,

die zunächst in erster Linie die Finanzwirtschaft adressiert hat, aber in Folge auch alle anderen Unternehmen betreffen. Mit der Einbindung der Finanzwirtschaft als Intermediäre wurden die Grundlagen geschaffen, um im Rahmen des Green Deals (2019) eine Transition der europäischen Wirtschaft überhaupt möglich zu machen.

 

Banken benötigen zusätzliche Informationen ….

Der EU Aktionsplan stellt den Ausgangpunkt zahlreicher EU Regularien dar, wie z.B. Offenlegungs-VO (SFRD), Taxonomie-VO, Nicht-finanzielle Berichterstattung (CSRD). Banken sind spätestens mit der Umsetzung der Offenlegungs-VO seit Mitte 2022 verpflichtet, nachhaltigkeitsrelevante Informationen ihre Geschäftstätigkeit betreffend zu kommunizieren bzw. in der Beratung ihrer Kund:innen mitzuberücksichtigen.

Um den Transparenz- und nicht-finanziellen Berichtsverpflichtungen nachkommen zu können, müssen die jeweiligen Kreditportfolios hinsichtlich Nachhaltigkeitsrisiken, Taxonomiefähigkeit und -konformität sowie finanzierte Emissionen (Scope 3) evaluiert werden.  Das Ergebnis ist anhand der sog. Green Asset Ratio (GAR, Anteil der nachhaltigen Finanzierung an den gesamten Forderungen) zu berichten. Auch wenn die GAR insbesondere aufgrund mangelnder Datenqualität momentan zumeist im einstelligen Bereich liegt, ist davon auszugehen, dass sich diese Kennzahl sukzessive verbessern, und für den Wettbewerb unter Banken in Zukunft eine Rolle spielen wird.

Während im (Re-)finanzierungsbereich bisher vergleichsweise wenige nachhaltige Produkte nachgefragt bzw. verfügbar waren, werden im Veranlagungsbereich schon seit vielen Jahren nachhaltige Investments angeboten, die seit einigen Jahren signifikante Zuwächse verzeichnen.

 

…. von ihren Geschäftskund:innen

Um die eigene Berichtspflicht zu erfüllen, benötigen Banken zusätzliche Informationen von ihren Geschäftskunden. Das Assessment von Nachhaltigkeitsrisiken ist dabei nicht nur lästige Pflicht, sondern bietet auch die Möglichkeit das jeweilige Kreditportfolio resilienter gegenüber ökologischen, transitorischen oder rechtlichen Risiken zu machen. Dies geht einher mit strategischen Überlegungen wie „nachhaltig“ das eigene Portfolio sein soll und welche Geschäftsmodelle bzw. Unternehmen in Zukunft finanziert werden sollen bzw. in welchem Umfang. Die Finanzierung der grünen Transition ist gleichzeitig eine Möglichkeit neue Produkte (z.B. ESG-linked loans, ESG-linked Schuldschein, Green Bonds) und Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. Gleiches gilt für die öffentliche Förderlandschaft, die durch umfangreiche ESG-Förderungen nachhaltige Investitionen begünstigen möchte. Also: Herausforderung und Chance für Kreditinstitute, und damit auch für ihre Geschäftskunden. ESG & Sustainable Finance – sind Sie vorbereitet?

Was braucht es zur Vorbereitung Ihres Unternehmens auf ESG?

Während Banken, Finanzdienstleister generell und große Unternehmen schon seit mehreren Jahren damit beschäftigt sind, ESG-Vorgaben vorzubereiten und zu implementieren haben Klein- und Mittelunternehmen mitunter noch die Vorstellung, dass sie davon (noch) nicht betroffen sein werden. Alle Unternehmen, die über eine Ausleihung bei ihrer Bank verfügen, sind jedoch kurz- bzw. mittelfristig damit konfrontiert nicht-finanzielle Daten, Fakten und Zahlen beizubringen. (*Unternehmen, die in eine internationale Wertschöpfungskette eingebunden sind, werden diese Fragen auch von ihren Kunden oder Lieferanten bekommen, damit diese ihrer Berichtspflicht aus der CSDDD nachkommen zu können.)
Was ist also zu tun?

ESG-Assessment

Unabhängig von Geschäftsmodell und Größe, muss jedes Unternehmen ein individuelles ESG-Assessment vornehmen. Dabei sind alle Geschäftsbereiche, Funktionen, Produkte, Dienstleistungen, Geschäftspartner, sonstige Stakeholder, Finanzierungs- und Versicherungsnotwendigkeiten etc. dahingehend zu prüfen, ob das Unternehmen direkt oder indirekt von nicht-finanziellen Vorgaben betroffen ist. Drei wesentliche Maßnahmenbereiche sind in Folge zu berücksichtigen:

WAS? – Methoden & Daten. Abgeleitet vom ESG Assessment sind konkrete Instrumente zu identifizieren z.B. Doppelte Wesentlichkeitsanalyse (Inside-Out; Outsite-In), Klimaanpassungsplan („Climate Transition Plan“), Klimarisikoanalyse („Climate Risk Assessment“). Und schließlich benötigt es auch ein Internes Kontrollsystem (IKS) für Nachhaltigkeit. Zur Umsetzung der Maßnahmen ist zu klären, welche Methoden angewendet werden und welche Daten erforderlich sind. Die Verfügbarkeit und die Qualität von internen und externen quantitativen Daten sind zurzeit die größten Herausforderungen für alle Stakeholder.  Aus der Herausforderung wird eine Chance, wenn Unternehmen nicht nur die nötigsten Daten und diese nur zur Erfüllung der Berichtspflicht erheben, oder ob das neue Datenmaterial zusätzlich zur pro-aktiven Steuerung des Unternehmens verwendet wird.

WIE? – Prozesse & Tools. Um die umfangreiche neue ESG-Datenlandschaft bewältigen zu können, bedarf es neuer oder adaptierter digitaler Tools und Systeme, und so weit wie möglich eine Automatisierung der Datenerfassung und -verarbeitung um manuelle Fehlerquellen zu reduzieren. ESG-Maßnahmen müssen Schritt für Schritt integraler Bestandteil der Entscheidungsfindung, Budgetierung und Incentivierung werden, um hier nur einige zu nennen.

WER? – Know-how & Verantwortlichkeiten. Vielfach unterschätzt wird – auch bei Unternehmen, die sich bereits mit ESG beschäftigen – , dass die neuen ESG-Vorgaben detailliertes Know-how zumeist in Verbindung mit einschlägiger Erfahrung für die Anwendung erfordern. Daher ist es unerlässlich, Know-how durch Aus- und Weiterbildung im Unternehmen aufzubauen und dies über alle Funktionen, Hierarchien und geographische Bezugspunkte sicherzustellen. Wesentlich ist ebenfalls,  klare Rollen und Verantwortlichkeiten zu definieren,  die entsprechende Linienorganisation aufzubauen und natürlich auch die Governance anzupassen.

 

Sustainable Finance betrifft also sowohl die Investitions-, Ausleihungs- und Veranlagungsseite von Unternehmen aller Branchen. Wobei die erforderlichen Maßnahmen weit über die Finanzverantwortlichen und -abteilungen hinausgehen und für viele Geschäftsmodelle neue strategische Herausforderungen und einen systemischen, ganzheitlichen Ansatz in der Bewältigung dieser erfordert. Dafür stehen Unternehmen zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung:  Branchenverbände, Förderungen, fundierte Aus- und Weiterbildungsangebote sowie ESG-Beratungsunternehmen mit langjähriger Erfahrung. 

 

Damit steht einer erfolgreichen ESG-Strategie und deren Umsetzung in Ihrem Unternehmen nichts mehr im Wege! Weiter unten geht’s zu den häufigsten Fragen (FAQs) zum Thema ESG & Sustainable Finance.

Dr. Heidrun Kopp ist langjährige Finanzexpertin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit, Leiterin der Weiterbildungsangebot zu „ESG & Sustainable Finance“ an der FHWien der WKW und Repräsentantin des Standortes Wien (Terra Institute).

Die häufigsten Fragen zum Thema ESG & Sustainable Finance – FAQs

1. Warum setzen Dekarbonisierungsmaßnahmen im Finanzbereich an?

Die Vorgaben aus dem Pariser Klimaabkommen erfordern die Umsetzung umfangreicher Klima- und Umweltziele, um insbesondere die europäischen C02-Emissionen signifikant zu reduzieren. Die notwendigen Infrastrukturkosten (u.a. Ausbau Schienen, Erneuerbare Energien) werden nach heutiger Schätzung Mittel von rd. €400-600 Mrd. pro Jahr erfordern.

Um Investitionen dieser Größenordnung bewältigen zu können, benötigt es neben der öffentlichen Hand insbesondere auch die Finanzwirtschaft:  Geld ist der Hebel für Entscheidungen, welche Projekte finanziert werden, und in welche Unternehmen bzw. Projekte investiert wird.  Um dies bewältigen zu können, benötigt der (Kapital-) markt Rechtssicherheit und klar definierte Spielregeln, konkrete quantifizierbare KPIs und Transparenz durch eine standardisierte Nicht-finanzielle Berichterstattung.

2. Was versteht man unter den jeweiligen Begriffen: Nachhaltigkeit, CSR, ESG?

Nachhaltigkeit ist ein Überbegriff, der im wirtschaftlichen Konnex dann verwendet wird, dabei sollen bei jeder Entscheidung neben ökonomischen, auch ökologische und soziale Auswirkungen berücksichtigt werden (People – Planet – Profit).

Corporate Social Reponsibility (CSR), insbesondere im unternehmerischen Bereich gebräuchlich; unter diesem Konzept werden nachhaltige Aktivitäten zumeist in Form von einzelnen Umwelt- und Sozial-Projekten in Unternehmen realisiert.

Environment-Social-Governance (ESG), dieser Begriff ist zunehmend im wirtschaftlichen Kontext gebräuchlich und ergänzt Umwelt- und Sozialbelange durch den Governance-Bereich. Beispiele was im Detail darunter zu verstehen ist:

  • Umwelt (Environment): Klima, Ressourcenknappheit, Wasser, Umweltverschmutzung, Artenvielfalt (Biodiversität)
  • Soziales (Social): Mitarbeiter, Weiterbildung, Sicherheit, Gesundheit, Demographischer Wandel, Ernährungssicherheit
  • Governance (Governance): Risiko- und Reputationsmanagement, Aufsichtsstrukturen, Compliance, Korruption 

3. Ab wann muss die Berichtspflicht nach CSRD umgesetzt werden?

  • Geschäftsjahr 01.01.2024 für Unternehmen, die bereits jetzt der Nicht-finanziellen Berichterstattung (NRFD) unterliegen
  • Geschäftsjahr 01.01.2025 für „große“ Unternehmen bzw. Gruppen, die bis dato noch nicht berichtspflichtig waren
  • Geschäftsjahr 01.01.2026 für kapitalmarktorientierte Klein- und Mittelunternehmen sowie kleine Kreditinstitute
  • Geschäftsjahr 01.01.2028 für spezifische Drittlandsunternehmen

4. Non-Financial Reporting Standard (NFRD) - was versteht man darunter?

Schon seit vielen Jahren sind Nachhaltigkeitsberichte eine Möglichkeit für Unternehmen ihr ökologisches und/oder soziales Engagement zu präsentieren. Neben sozialen Projekten und dem täglichen Apfel für Mitarbeitende durfte insbesondere das beidseitige Bedrucken von Papier in keinen Bericht fehlen. Mit der nationalen Umsetzung der Richtlinie für die Nicht-finanzielle Berichterstattung (NFRD) wurden ab 2017 große Unternehmen zur Nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet. Bereits damals wollte die EU Kommission durch mehr Transparenz eine intensivere Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit in großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen erreichen. Die Anzahl der Unternehmen, die von der EU Richtline erfasst sind, ist überschaubar, und sowohl der Berichtstandard (häufig der Global Reporting Standard, GRI) als auch die berichteten Inhalte waren frei wählbar. Damit waren die Maßnahmen der Unternehmen auch nicht vergleichbar. Die NFRD war ein erster Schritt, dennoch war rasch klar, dass definierte Rahmenbedingungen (=> CSRD) unvermeidbar sind.

5. Was versteht man unter Nachhaltigkeitsrisiken?

Dabei handelt es sich um finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcen-knappheit, der Umweltzerstörung und/oder sozialen Problemen ergeben. Unterschieden werden dabei physische, transitorische und zunehmend auch Haftungsrisiken. Physische Risiken betreffen beispielsweise chronische Risiken wie steigender Meeresspiegel, Auftauen von Permafrostgebieten…) sowie akute Risiken wie Dürren, Starkregen, Überschwemmungen oder auch Wirbelstürme, um nur einige zu nennen. Weniger bekannt sich transitorische Risiken. Diese resultieren aus kurzfristigen Änderungen von Gesetzen (C02-Steuer), Technologien (E-Mobilität) sowie Konsumverhalten (Flexitarier, Veganismus). Und schließlich Haftungsrisiken (liability risk) durch die Zunahme von Umweltklagen.

6. Welche 10 Maßnahmenpunkte umfasst der EU-Aktionsplan?

Der EU-Aktionsplan umfasst 10 Punkte, die von der Finanzwirtschaft umgesetzt werden müssen, von denen in Folge insbesondere Unternehmen der Realwirtschaft betroffen sein werden, um damit die grüne Transformation zu realisieren:

 

Ziel Aktionspunkt
Ausrichtung der Kapitalströme auf eine nachhaltige Wirtschaft

 1. EU Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeitsaktivitäten etablieren

 2. Standards und Labels für grüne Finanzprodukte schaffen

 3. Investitionen in nachhaltige Produkte fördern

 4. Nachhaltigkeit zum Teil der Anlageberatung machen

 5. Nachhaltigkeits-Benchmarks entwickeln

Verankerung von Nachhaltigkeit im Risikomanagement

 6. Nachhaltigkeit besser in Ratings und Forschung integrieren

 7. Pflichten von institutionellen Investoren und Vermögensverwaltern klären

 8. Nachhaltigkeit in aufsichtsrechtliche Anforderungen einbeziehen

Förderung von Transparenz und Langfristigkeit

 9. Nachhaltigkeitsoffenlegung und Rechnungslegungsvorschriften stärken

 10. Nachhaltige Unternehmensführung stärken und Kurzfristdenken an Kapitalmärkten abschwächen

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