Doppelte Wesentlichkeitsanalyse
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse: Eine Einführung

In einer Welt, die immer vernetzter und vielschichtiger wird, wächst der Druck auf Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsstrategien und deren Auswirkungen klar und transparent darzustellen. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei die doppelte Wesentlichkeitsanalyse. Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, und wie geht man bei der Durchführung einer solchen Analyse vor? Tauchen wir ein in die Welt der doppelten Wesentlichkeit und entdecken, wie sie Unternehmen hilft, ihre Verantwortung sowie Verbindung zu ESG Themen besser zu verstehen gleichzeitig finanzielle Stabilität zu sichern. 

Key Takeaways

  1. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse betrachtet zwei Dimensionen: die wesentlichen Auswirkungen eines Unternehmens auf Umwelt Gesellschaft und Wirtschaft, oder auch ESG-Themen (Impact Wesentlichkeit) und die finanziellen Auswirkungen von ESG-Themen auf das Unternehmen (finanzielle Wesentlichkeit)
  2. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse spielt eine zentrale Rolle in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die klare Rahmenbedingungen und Anforderungen für umfassende und transparente Berichte definieren.
  3. Die ESRS bringen u.a. Herausforderungen wie komplexe Datenerhebung, Einbindung von Stakeholdern mit sich. Sie bringen aber auch einen zentralen Ansatz zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen mit sich.

Was ist doppelte Wesentlichkeit?

Doppelte Wesentlichkeit bezieht sich auf die Betrachtung von zwei Dimensionen der Wesentlichkeit in der Unternehmensberichterstattung. Zum einen die direkten und indirekten  Auswirkungen auf die Gesellschaft (bspw. die eigene Belegschaft, Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette, betroffene Gemeinschaften, Endnutzer- und Verbraucher*innen), die Umwelt (bspw. Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wasser- sowie Meeresressourcen, Biodiversität oder Kreislaufwirtschaft) oder auf Governance Themen (bspw. Unternehmenskultur, Whistleblower oder Korruption). Zum anderen wie sich diese Themen in der  finanzielle Wesentlichkeit auf das Unternehmen finanziell Auswirken. Diese beiden Perspektiven ermöglichen eine umfassendere und tiefere Einsicht in die Interaktionen eines Unternehmens mit seiner Umwelt und seinen Stakeholdern. 

  • Impact Wesentlichkeit: Diese Dimension bewertet die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft. Dies umfasst den ökologischen Fußabdruck, soziale Auswirkungen sowie die Einhaltung von Governance-Praktiken. Unternehmen werden danach beurteilt, wie ihre Geschäftstätigkeiten externe Effekte erzeugen, die sowohl positive als auch negative Konsequenzen für die Umwelt und die Gesellschaft haben können.  
  • Finanzielle Wesentlichkeit: Diese Dimension fokussiert sich auf die finanziellen Auswirkungen von Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG-Themen) auf das Unternehmen. Hierbei geht es darum, wie diese Themen die finanzielle Lage, die Leistung und die Entwicklung eines Unternehmens beeinflussen können. Dies entspricht der traditionellen Perspektive der Investoren, die daran interessiert sind, wie Risiken und Chancen in Bezug auf ESG-Themen die finanzielle Stabilität und Rentabilität eines Unternehmens beeinträchtigen könnten. 

Abb.1: Doppelte Wesentlichkeit – Materiality Ansätze

Schritte zur Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse 

1. Identifizierung relevanter Themen: Der erste Schritt besteht darin, die eigene Wertschöpfung sowie die Vor- & Nachgelagerte Wertschöpfungskette zu verstehen. Wichtig dabei ist es die Themen aus der Wertschöpfungskette des Unternehmens zu identifizieren, die finanzielle Risiken und Chancen oder  auch Auswirkungen tatsächlich auslösen oder auslösen könnten. Dies kann bspw. durch die Analyse interner und externer Quellen, Marktstudien, Stakeholder-Befragungen und Branchenberichte geschehen. 

2. Bewertung der Impact-Wesentlichkeit: Hierbei geht es darum, die Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten auf Umwelt und Gesellschaft zu bewerten. Dies umfasst die Analyse von Umweltauswirkungen (z.B. CO2-Emissionen), sozialen Auswirkungen (z.B. Arbeitsbedingungen) und Governance-Aspekten (z.B. ethisches Verhalten). 

3. Bewertung der finanziellen Wesentlichkeit: Unternehmen müssen die potenziellen finanziellen Auswirkungen der identifizierten ESG-Themen bewerten. Dies kann durch Risikobewertungen, Szenarioanalysen und finanzielle Modelle erfolgen, um zu verstehen, wie sich diese Themen auf die finanziellen Ergebnisse auswirken könnten. 

4. Stakeholder-Engagement: Ein wesentlicher Bestandteil der doppelten Wesentlichkeitsanalyse ist der Dialog mit Stakeholdern. Dies umfasst Kund*innen, Mitarbeiter*innen, Investor*innen, Gemeinden und NGOs. Durch die Einbeziehung dieser Gruppen kann ein umfassenderes Bild der wesentlichen Themen und ihrer Auswirkungen entstehen. 

5. Integration und Berichterstattung: Die Ergebnisse der Analyse müssen in die Unternehmensstrategie und -berichterstattung integriert werden. Dies bedeutet, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele und -strategien an den identifizierten wesentlichen Themen ausrichten und diese transparent kommunizieren sollten. 

    Vorteile der doppelten Wesentlichkeitsanalyse 

    Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse bietet zahlreiche Vorteile: 

    • Umfassendere Risikobewertung: Durch die Berücksichtigung sowohl der finanziellen als auch der Impact-Wesentlichkeit können Unternehmen Risiken und Chancen besser identifizieren und managen. 
    • Erhöhte Transparenz und Glaubwürdigkeit: Eine transparente Berichterstattung über wesentliche ESG-Themen stärkt das Vertrauen der Stakeholder und kann die Reputation des Unternehmens verbessern. 
    • Nachhaltige Unternehmensentwicklung: Die Integration von ESG-Themen in die Unternehmensstrategie fördert eine nachhaltige und langfristige Wertschöpfung. 

    Herausforderungen und Ausblick 

    Trotz ihrer Vorteile stellt die doppelte Wesentlichkeitsanalyse auch Herausforderungen dar. Dazu gehören die Komplexität der Datenerhebung und -bewertung, die Notwendigkeit eines umfassenden Stakeholder-Engagements und die kontinuierliche Anpassung an sich ändernde regulatorische Anforderungen. Dennoch bleibt die doppelte Wesentlichkeit ein zentraler Ansatzpunkt für Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern und transparent kommunizieren wollen. 

    Im Lichte dessen, dass es für Klein- & Mittestländische Unternehmen den VSME-Entwurf gibt, wird die Bedeutung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse weiter zunehmen. Unternehmen, die frühzeitig und umfassend auf diesen Ansatz setzen, können nicht nur ihre Nachhaltigkeitsziele besser erreichen, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz in einer sich wandelnden Welt stärken.

    Fazit

    Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist ein mächtiges Werkzeug zur Bewertung und Kommunikation der ESG-Leistung von Unternehmen. Sie hilft, eine Brücke zwischen finanziellen und gesellschaftlichen Zielen zu schlagen und ermöglicht es Unternehmen, eine nachhaltige und zukunftsorientierte Strategie zu entwickeln. In einer Welt, in der Nachhaltigkeit und Transparenz immer wichtiger werden, bietet die doppelte Wesentlichkeit einen klaren Weg, um den vielfältigen Anforderungen der Stakeholder gerecht zu werden und gleichzeitig langfristigen Erfolg zu sichern. 

      Autorin

      Evelyn Oberleiter

      Evelyn Oberleiter ist Co-Gründerin und CEO Terra Institute. Sie begleitet seit 20 Jahren Unternehmen in tiefgehenden Veränderungsprozessen und hat ihren Fokus auf Nachhaltigkeitsstrategie, Reporting und Leadership. Evelyn verfügt über eine hohe Prozesskompetenz und Ergebnisorientierung, eine ausgedehnte Analyse- und Reflexionsfähigkeit sowie ein ausgeprägtes Systemdenken. Als Sparring-Partner sämtlicher Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung begleitet sie Menschen im Top-Management.

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