Das neue europäische Lieferkettengesetz, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), stellt viele Unternehmen vor weitreichende Anforderungen und anspruchsvolle Herausforderungen. Dieser Artikel gibt einen ausführlichen Überblick darüber, was Unternehmen bereits jetzt zur Vorbereitung auf die neue CSDDD tun können, selbst wenn sie derzeit noch nicht betroffen sind.
Durchführung einer GAP-Analyse
Der erste essenzielle Schritt in der Vorbereitung auf die CSDDD ist die Durchführung einer GAP-Analyse. Diese Analyse vergleicht den aktuellen Stand der Sorgfaltspflichten im Unternehmen mit den Anforderungen der CSDDD und bezieht sich auf den eigenen Geschäftsbereich sowie die Lieferanten.
Identifikation der Sorgfaltspflichten
Zunächst muss ermittelt werden, welche Sorgfaltspflichten die CSDDD umfasst. Dazu zählen die Integration von Nachhaltigkeitsanforderungen in die Unternehmenspolitik, die Identifizierung von Risiken in der Lieferkette, die Umsetzung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie die kontinuierliche Überwachung der Einhaltung dieser Pflichten. Im gleichen Zug wird erfasst, welche Unternehmensbereiche dadurch von der CSDDD betroffen sind.
Abb. 1: Überblick der zu beachtenden Sorgfaltspflichten
Überprüfung bestehender Prozesse
Es ist wichtig zu analysieren, inwieweit die Sorgfaltspflichten bereits durch bestehende Prozesse abgedeckt sind und wo Lücken bestehen. Unternehmen sollten sich mit dem Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit auseinandersetzen und besonders an Nebenstandorten Details über die Kernaktivitäten ermitteln. Transparenz in der Art und im Ausmaß der Geschäftsbeziehungen in der Lieferkette und eine gründliche Überprüfung der aktuellen internen Compliance- und Nachhaltigkeitsrichtlinien ist hierbei unerlässlich. Ein interessanter Nebeneffekt davon, der zeigt, wie eng die europäischen Regularien verknüpft sind: Die Lieferkettentransparenz ist ein Schritt, der auch für die CSRD Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft relevant ist und sich damit für Unternehmen mehrfach lohnt.
Transparenz in der Lieferkette durch eine Spend-Analyse
Um die Lieferkette vollständig zu durchdringen und transparent zu gestalten, ist eine umfassende Spend-Analyse erforderlich. Diese umfasst die Erfassung und Auswertung der Warengruppen, der Lieferanten und des Umsatzes.
Bei der Warengruppenanalyse werden die wichtigsten Warengruppen identifiziert, die das Unternehmen bezieht. Diese Analyse hilft, kritische Bereiche innerhalb der Lieferkette zu identifizieren, die besondere Aufmerksamkeit erfordern.
Die Lieferantenanalyse beschäftigt sich vorrangig mit den Herkunftsländern der Lieferanten, den Standorten ihrer Produktionsstätten und der Herkunft der von ihnen bezogenen Rohstoffe, Materialien und Dienstleistungen. Unternehmen sollten mindestens die Produktionsstandorte ihrer Lieferanten genau kennen, um potenzielle Risiken besser einschätzen zu können.
Zuletzt wird der Umsatz bewertet, der mit den einzelnen Warengruppen erzielt wird. Dies hilft, den Einflussbereich des Unternehmens anhand der Umsatzanteile zu verstehen und die Priorisierung der Warengruppen in der Risikoanalyse zu unterstützen.
Modellierung der Lieferketten
Die Modellierung der Lieferketten der Hauptwarengruppen ist ein wesentlicher Schritt zur Vorbereitung auf die CSDDD. Hierbei wird der gesamte Produktionsprozess einer Warengruppe, von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt, abgebildet. Ein einfaches Beispiel hierfür ist die Aufschlüsselung der einzelnen Schritte in der Lieferkette eines T-Shirts:
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Rohstoffgewinnung: Baumwolle wird in verschiedenen Ländern angebaut und geerntet.
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Spinnen und Weben: Die Baumwolle wird zu Garn gesponnen und zu Stoffen gewebt.
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Färben und Veredeln: Der Stoff wird gefärbt und veredelt, um die gewünschten Eigenschaften zu erhalten.
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Schneiden und Nähen: Der Stoff wird in die einzelnen Teile des T-Shirts geschnitten und zusammengenäht.
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Verpackung und Versand: Das fertige T-Shirt wird verpackt und an den Einzelhandel oder direkt an die Kunden versendet.
Abb. 2: Exemplarische Modellierung der Lieferkette eines T-Shirts.
Die einzelnen Schritte werden häufig nicht nur in eigens darauf spezialisierten Unternehmen durchgeführt, sondern oft in ganz unterschiedlichen Ländern. Dieser Prozess zeigt deutlich, welche verschiedenen Stufen und Akteure, Materialien und Arbeitsschritte in der Lieferkette involviert sind und wie wichtig es ist, jeden Schritt genau zu analysieren. Aufgrund der hohen Komplexität und des beträchtlichen Arbeitsaufwands ist es empfehlenswert mit einem Produkt zu beginnen und die Modellierung schrittweise auf alle weiteren Produkte des Unternehmens auszuweiten.
Analyse des Sektorrisikos in den Hauptwarengruppen
Eine gründliche Analyse des Sektorrisikos der Hauptwarengruppen, inklusive der vorgelagerten Prozesse (upstream), ist unerlässlich. Hierzu beginnt man zunächst mit der Identifikation von Risikowarengruppen, die besondere Risiken in Bezug auf Umwelt- und Sozialstandards aufweisen. Beispielsweise kann die Produktion von Aluminium mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden sein, während in der Textilindustrie oft soziale Risiken wie schlechte Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit auftreten. Als nächster Schritt muss eine Bewertung der Risiken stattfinden. Dazu wird eine Risikoanalyse basierend auf der Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit der identifizierten Risiken durchgeführt. Dies beinhaltet die Analyse von bekannten Risikowarengruppen und die Bewertung, wie schwerwiegend und wahrscheinlich diese Risiken sind.
Implementierung von Maßnahmen und kontinuierliche Überwachung
Die letzte Phase der Vorbereitung auf die CSDDD umfasst die Implementierung der identifizierten Maßnahmen zur Schließung der Lücken in den Sorgfaltspflichten und die kontinuierliche Überwachung der Lieferkette. Dies kann beispielsweise die Einführung neuer Lieferantenbewertungssysteme, die Aktualisierung von Beschwerdesystemen und die regelmäßige Überprüfung der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards beinhalten. Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie regelmäßig die Einhaltung der Sorgfaltspflichten überwachen und kontinuierlich verbessern. Dies kann durch interne Audits, regelmäßige Schulungen und den Austausch bewährter Verfahren erreicht werden.
Fazit
Die Vorbereitung auf die CSDDD erfordert eine systematische und umfassende Herangehensweise. Durch die Durchführung einer GAP-Analyse, die Transparenz in der Lieferkette, die Modellierung der Lieferketten der Hauptwarengruppen, die Analyse des Sektorrisikos, die Priorisierung und konkrete Risikoanalyse sowie die Implementierung und kontinuierliche Überwachung von Maßnahmen können Unternehmen sicherstellen, dass sie den Anforderungen der CSDDD gerecht werden und gleichzeitig ihre Lieferkette nachhaltig gestalten.
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Hier der Link zum EU Amtsblatt.
Sylvia Albrecht ist Senior Consultant und Team Lead Supply Chain.
Mit 20 Jahren Erfahrung im Einkauf und in der Einkaufsberatung liegt ihr Fokus auf nachhaltiger Beschaffung und dem Lieferkettengesetz (LkSG, CSDDD). Durch ihre langjährige Arbeit im und mit dem Einkauf kennt sie die Prozesse eines nachhaltigen Lieferantenmanagements und weiß welchen Wertbeitrag der Einkauf zu einer nachhaltigen Unternehmensausrichtung leisten kann.